Biologie & Biochemie Ein Forum für Molekularbiologie, Genetik, Gentechnik und andere biologische sowie biochemische Themen. |
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13.09.2019, 20:59
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#1
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Mitglied
Themenersteller
Beiträge: 8
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Stechend riechende ölige Substanz aus Waldboden
Hallo
Hier ist mal kurz die Vorgeschichte: Ich bin gerade in die Gammaspektroskopie eingestiegen und ich wohne in einem Gebiet (Oberösterreich), welches noch stark mit Cs137 von Tschernobyl belastet ist. Aus diesem Grund habe ich mir aus dem nächsten Wald ca. 1kg Waldboden mitgenommen. Da drinnen ist Erde, Laub und Wurzeln.
Danach versuchte ich, dass Cs herauszulösen, damit es leichter messbar wird. Dazu habe ich zu der Erde etwas Wasser hinzugegeben, damit alles bedeckt ist. Zusätzlich habe ich noch eine kleine Menge Salzsäure hinzugegeben, damit sich sämtliche Cs Salze in sehr gut wasserlösliches CsCl umwandeln. Nun habe ich alles abgefiltert und es blieb bräunliches Wasser zurück. Der nächste Schritt bestand darin, das Wasser mit der Herdplatte zu verdampfen, damit die Salze zurückbleiben. Ich rechnete damit, dass also ein Feststoff im Becherglas verbleibt. So war es aber nicht. Als das Wasser fast komplett verdunstet war viel mir auf, das leicht weißer Rauch aufsteigt. Natürlich sollte das nicht sein. Also habe ich die Herdplatte abgeschaltet und die Sache abkühlen lassen. Übrig blieb eine ölige Flüssigkeit, die pechschwarz ist. Als ich mir das Zeug genauer ansehen möchte, kommt mir ein extrem stechender Geruch entgegen.
Könnt ihr euch vorstellen, was das für eine Substanz sein könnte? Könnten es vielleicht Huminstoffe sein? Ich halte mich vorerst von dem Zeug fern, womöglich sind da nämlich aromatische Kohlenwasserstoffe wie Benzen drinnen.
Vielen Dank fürs lesen
Grüße
Phoenix
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14.09.2019, 09:58
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#2
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Mitglied
Beiträge: 3.728
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AW: Stechend riechende ölige Substanz aus Waldboden
Das, was da zurückbleibt, wird undefinierbares organisches Material sein. Der stechende Geruch wird höchstwahrscheinlich von der Salzsäure kommen, die durch die Prozedur aufkonzentriert wurde. Das organische Material dürfte jetzt größere Konzentrationen an gelöster HCl enthalten,die geruchlich eben wahrnehmbar sind.
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"Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auch 35 Jahre schlecht machen."
Kurt Tucholsky
"Nur wenige wissen, wie viel man wissen muss, um zu wissen, wie wenig man weiß."
Werner Heisenberg
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14.09.2019, 11:01
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#3
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Mitglied
Themenersteller
Beiträge: 8
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AW: Stechend riechende ölige Substanz aus Waldboden
Hallo
Vielen Dank für die Antwort, das hat mir sehr geholfen.
Ja, es ist tatsächlich noch Salzsäure vorhanden. Ich habe ursprünglich damit gerechnet, dass bei hohen Temperaturen sämtlicher Chlorwasserstoff entweicht, aber meine Annahme war falsch. Tatsächlich stellt sich bei ca. 20% Konzentration ein azeotropes Gemisch ein. Ich habe auch einen Tropfen auf ein Stück Alufolie gegeben, das Aluminium wurde sofort angegriffen.
Ich hab selber noch etwas das Internet durchsucht, die schwarze Farbe kommt von Fulvosäuren. In der Erde sind Fulvosäuren und Huminsäuren enthalten. Fulvosäuren sind bei niedrigen PH Werten löslich, Huminsäure bei hohen. Also habe ich mit meinem Prozess die Fulvosäuren extrahiert.
Beste Grüße
Phoenix
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14.09.2019, 11:34
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#4
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Mitglied
Beiträge: 3.728
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AW: Stechend riechende ölige Substanz aus Waldboden
Zitat:
Zitat von Phoenix6478
Ja, es ist tatsächlich noch Salzsäure vorhanden. Ich habe ursprünglich damit gerechnet, dass bei hohen Temperaturen sämtlicher Chlorwasserstoff entweicht, aber meine Annahme war falsch.
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Selbst wenn kein Wasser mehr vorhanden ist, hält sich HCl oftmals hartnäckig in organischem Material. Auch bei Salzfällungen mit überschüssigem HCl läßt sich dieser oft nicht so einfach auf der Herdplatte entfernen, es sei denn man brät das Zeug. Ich muss dazu mitunter längere Zeit im Vakuum auf 60-80°C erhitzen....
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14.09.2019, 11:54
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#5
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Mitglied
Themenersteller
Beiträge: 8
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AW: Stechend riechende ölige Substanz aus Waldboden
Ich habe mir die Struktur von den Huminsäuren/Fulvosäuren nochmal genauer angeschaut und ich glaube, dass auf der Herdplatte durchbrennen gefährlich werden könnte. Hier ist die Skelettformel: http://www.ahabc.de/wp-content/uploads/2014/09/aha-boden-entwick-stoffneu-huminstoffe-2-800.jpg
Wie man sehen kann ist in der Skelettformel Dibenzofuran. Wenn ich das Zeug so stark erhitze das es sich zersetzt könnte das Zeug ja durch das HCl chloriert werden und es kommt Dioxin raus.
Gibt es eine andere Möglichkeit, dass CsCl da herauszubekommen? Eine Möglichkeit für Vakuum habe ich leider nicht.
Danke für die Hilfe
Grüße
Phoenix
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14.09.2019, 12:31
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#6
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Mitglied
Beiträge: 22
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AW: Stechend riechende ölige Substanz aus Waldboden
Also mit HCl wirst du sicherlich keine Fulvosäuren am Aromaten chlorieren können.
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14.09.2019, 12:44
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#7
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Mitglied
Themenersteller
Beiträge: 8
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AW: Stechend riechende ölige Substanz aus Waldboden
Danke für die Antwort
Ich habe leider keine Ahnung von den Reaktionen der organischen Chemie, aber ich will wirklich sicher gehen. Dioxin ist kein Spaß
Es könnte ja durchaus noch eine kleine Menge Huminsäure dabei sein. In der Huminsäure ist Dibenzofuran im Skelett eingebaut. Wenn ich das Zeug nun so stark erhitze, sodass sich die Huminsäure zersetzt, könnte ja das Dibenzofuran freigesetzt werden. Es geht mir nicht um die Chlorierug der gesamten Säure, sondern nur um das Dibenzofuran. Kann Dibenzofuran mit HCl chloriert werden?
Grüße
Phoenix
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14.09.2019, 12:49
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#8
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Mitglied
Beiträge: 18.517
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AW: Stechend riechende ölige Substanz aus Waldboden
Nicht unter solchen Bedingungen. Da passiert gar nichts.
Gruß
jag
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Die Lösung auf alle Fragen ist "42".
Aus gegebenem Anlass: Alle Rechnungen überprüfen, da keine Gewähr. - Fragen bitte im Forum stellen.
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14.09.2019, 12:53
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#9
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Mitglied
Beiträge: 22.736
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AW: Stechend riechende ölige Substanz aus Waldboden
Wenn Temperaturen ausreichend hoch sind,enstehen Dioxine recht gern,wenn organisches Material in Gegenwart von Chlorid erhitzt wird.
So findest du schon Dioxine bei Lagerfeuern,die z.B. mit Treibholz befeuert wurden.Das Chlorid aus dem Meersalz reicht.
Es bleibt stets die Frage nach der Konzentration der Stoffe.
Du wirst in deinem Rückstand,wie oben schon beschrieben,alles mögliche an organischen Verbindungen haben,die teils auch ohne "Chlorierung" nicht besonders gesund sind.
Wie genau soll eigentlich die Cs-Lösung weiter untersucht werden?
Fulvenus!
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14.09.2019, 15:15
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#10
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Mitglied
Themenersteller
Beiträge: 8
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AW: Stechend riechende ölige Substanz aus Waldboden
Danke für eure Antworten, jag und Fulvenus
Mein Plan war ja die Cs Lösung einzudampfen, sodass nur die Salze in der Erde überbleiben. Daraus kann ich die Aktivität der Erde in Bq/kg mit dem Gammaspektrometer bestimmen.
Da ich mir ja nicht sicher sein kann ob da jetzt Dioxin entsteht oder nicht, dampfe ich das Zeugs nicht weiter ein. Das ist mir das Krebsrisiko und die anderen Symptome einer Dioxinvergiftung nicht wert. Normalerweise habe ich da keine Angst, aber Dioxin ist mir zu heikel.
Ich habe noch Erde übrig und kann das Ganze nochmal machen, allerdings nur mit Wasser alleine. Eigentlich sind ja eh alle Cs Salze wasserlöslich. Danach lasse ich das ganze stehen bis das Wasser von selbst verdunstet ist.
Grüße
Phoenix
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14.09.2019, 18:23
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#11
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Mitglied
Beiträge: 1.628
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AW: Stechend riechende ölige Substanz aus Waldboden
Nimm Schwefelsäure, dann gibt's Dioxin nur aus dem erdeeigenen Chlorid.
Besser: Den Humus veraschen. Dann Asche messen oder das Lösliche daraus.
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14.09.2019, 19:19
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#12
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Mitglied
Beiträge: 22.736
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AW: Stechend riechende ölige Substanz aus Waldboden
Zitat:
Zitat von cg
Besser: Den Humus veraschen.
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MWn gehen da schon einige Cs-Salze in "Rauch" auf,wenn die Temperatur nicht genau kontrolliert wird.
Für belastbare Daten aus der Gammasektrometriemessung sollte aber die gesamte Probenahme und-aufbereitung reproduzierbar sein,sonst ist das mMn nichts.
Tehmatisch als Bachelorarbeit ähnliches: https://www.znf.uni-hamburg.de/media/documents/archiv-qualifikationsarbeiten/bachelorarbeit-pkaiser.pdf .
Fulvenus!
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14.09.2019, 21:56
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#13
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Mitglied
Beiträge: 5.789
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AW: Stechend riechende ölige Substanz aus Waldboden
Zitat:
Zitat von Phoenix6478
noch stark mit Cs137 von Tschernobyl belastet
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nach über 30 Jahren ist das doch wirklich nur noch halb so schlimm
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Schach is voll langweilig:
Immer die gleiche Map und die Charakter kann man auch nicht modden.
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18.09.2019, 08:40
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#14
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Moderator
Beiträge: 23.914
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AW: Stechend riechende ölige Substanz aus Waldboden
Ich schliesse öfter mal Sediment- und Bodenproben mit Königswasser (enthält konz. Salzsäure) auf. Da wird dann auch gerne stundenlang drauf rumgekocht. Und an einer Dioxinvergiftung bin ich immer noch nicht gestorben.
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"Old geochemists never die, they merely reach equilibrium." (Antonio C. Lasaga ?)
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18.09.2019, 17:14
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#15
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Mitglied
Beiträge: 1.628
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AW: Stechend riechende ölige Substanz aus Waldboden
Zitat:
Zitat von Fulvenus
MWn gehen da schon einige Cs-Salze in "Rauch" auf,wenn die Temperatur nicht genau kontrolliert wird.
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Deswegen entweder Temperatur kontrollieren und die Probe nach und nach veraschen und/oder von Anfang an inaktives CsCl zusetzen um die Verluste zu vermindern. Oder "Rauch" waschen, die Waschflüssigkeit eindampfen und die so zurückgehaltene Flugasche der Asche der Probe wieder zusetzen.
Ich habe immer die Originalprobe in einem Marinellibecher gemessen. Dabei schirmt die Probe selbst ein wenig der Strahlung ab, was zu geringfügig niedrigeren Messwerten führt. Bei Humus ist eine rechnerische Korrektur leicht möglich. Anders ist das bei Lehm oder gar Gestein. Der GeLi-Detektor dafür ist natürlich aufwändig. Geht aber auch mit NaJ.
Geändert von cg (18.09.2019 um 17:21 Uhr)
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